Zum gesamten Werkverzeichnis von Johann Georg Zechner
Zu den Notenausgaben im Eigenverlag von Johann Georg Zechner
Johann Georg Zechner - der Mensch und Musiker
Johann Georg Zechner kam am 9. April 1716 in Gleisdorf auf die Welt. Sein Geburtshaus in der heutigen Bürgergasse 4, ist fast unverändert erhalten geblieben. Der Vater des Komponisten war der bürgerliche Färbermeister Peter Zechner. Er gehörte der damaligen Oberschicht des stark auf das Ledererhandwerk konzentrierten Marktes Gleisdorf an. Peter Zechner wurde wohlhabender Ratsbürger und war zwischen 1736 und 1740 sogar „Marktrichter“, also im heutigen Sinn Bürgermeister der Gemeinde. Ein interessantes Detail unter dem Wenigen, das man über diese frühe Gleisdorfer Zeit im Leben des später zu Lebzeiten europaweit bekannten Komponisten Johann Georg Zechner weiß, ist die Tatsache, dass seine Eltern familiäre Bindungen zu bedeutenden Künstlern der Zeit hatten: So stammte Zechners Mutter Barbara aus der Künstlerfamilie Görz.
Der kaiserliche Hof- und Kammermaler Mathias von Görz, dessen überragendes Hauptwerk sich im Freskenprogramm der Stiftskirche Pöllau erhalten hat, war ihr Vetter und Trauzeuge und somit ein besonders wichtiger Onkel von Johann Georg Zechner. In dieser künstlerischen Umgebung wurde der spätere Komponist scheinbar als musikalisches Talent früh erkannt. Wie seinem Zeitgenossen Christoph Willibald Gluck (1714–1787) und 20 Jahre später auch den Brüdern Joseph und Michael Haydn – die allesamt Söhne bürgerlicher Familien aus der Provinz waren – gelang Zechner wohl schon im Knabenalter durch die Beziehungen seiner Verwandtschaft in der internationalen Welt der „Kunsthandwerker“ der Sprung nach Wien, wo er an der kaiserlichen Hofkapelle ausgebildet wurde.
Ab 1736 war Johann Georg Zechner als Organist im Stift Göttweig angestellt und wurde bald zum führenden Komponisten im Umkreis der großen Donauklöster von Klosterneuburg bis Ottobeuren. Abschriften seiner Musik fanden im Raum zwischen Wien, Prag, Augsburg und München reißenden Absatz. Ab 1746 hatte er das damals renommierte Amt des Regenschori der Stadt Krems inne und wurde als Musiker herangezogen wenn der Kaiser oder seine Staatsgäste im „klösterlichen Versailles“ von Melk ein Quartier nahmen. Zechners Stellung im österreichischen Hofleben war die eines musikalischen „Eventmanagers“, ähnlich wie es die internationale Forschung für Komponisten im Umkreis des französischen Königshofes, wie etwa Lully oder Couperin herausgearbeitet hat.
1752 zur Regierungszeit Maria Theresias wurde Zechner schließlich zum Priester geweiht und mit einer Stiftung finanziell abgesichert. Bis zu seinem Lebensende 1778 lebte er in der Folge als freischaffender Komponist und ausgewiesener Orgelexperte in Krems und in Stein an der Donau. Heute sind Messen, Requien, Vespern, Offertorien, Motetten, aber auch umfangreiche szenische Werke, Konzerte, Huldigungsmusiken und große Instrumentalsinfonien erhalten. (aus dem Programmheft zum Konzert am 6.10.2019)
Siegbert Rosenberger
Gleisdorf, Im November 2023
Die Welt, in die Johann Georg Zechner hineingeboren wurde.
Wirtschaft, Gesellschaft und Zusammenleben
Als Johann Georg Zechner am 9. April l716 in der Gleisdorfer Bürgergasse als Sohn des Färbermeisters Peter Zechner geboren wurde, unterschied sich der damalige Markt Gleisdorf doch in vieler Hinsicht von der heutigen Zeit. Nicht nur, dass Gleisdorf seither eine Stadt geworden ist, ist damit gemeint, sondern vor allem das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben. war ganz anders. Typisch für kleine Orte wie Gleisdorf war das „Ackerbürgertum", von dem das Leben der Handwerker, Kaufleute oder sogar der Pfarre geprägt war. Man ging nicht nur seinem Beruf nach, sondern besaß gewissermaßen als zweites Standbein auch eine Landwirtschaft, die zur wirtschaftlichen Absicherung beitrug. So war es auch in der Färberfamilie Zechner, die in der oberen Bürgergasse ihr Domizil hatte. Hinter dem Anwesen floss der Gleisbach, der, wie noch zur Sprache kommen wird, für dieses Handwerk eine wichtige Rolle spielte.
Robert Friedrich Hausmann hat im Buch "Gleisdorf 1229-1979" aufgelistet, wie viele Bürgerinnen und Bürger für uns heute teilweise exotischen Berufen in Gleisdorf nachgegangen sind. Es scheint beispielsweise der ,,Bedtenmacher" Hans Dobinger auf, der sich aber nicht auf die Anfertigung von Schlafstätten spezialisiert hatte, sondern erzeugte ,,Bedten", wie man damals die Rosenkranze nannte, die wohl die meisten Menschen immer eingesteckt hatten. Es gab aber auch einen ,Strimpfstricker"' oder sogar zwei ,,Kirschner". Viele dieser seltenen handwerklichen Berufe sind mittlerweile aus dem Wirtschaftsbild von Gleisdorf verschwunden.
Auch das gesellschaftliche Leben hat sich wesentlich verändert. Aus politischen Gründen gab es zwar noch keine Vereine in unserem Sinn, aber Zünfte oder Innungen spielten für ihre Mitglieder eine wichtige Rolle im Zusammenleben.
Während bis heute die Zahl der Gleisdorferinnen und Gleisdorfer innerhalb der alten Grenzen auf über 6000 angestiegen ist und durch den Zuzug neuer Bürgerinnen und Bürger in einem ständigen Wachstum begriffen ist, lag sie damals bei etwa 600. Es werden einander also wohl alle Bewohner des Ortes persönlich gekannt haben, während heute zunehmend Anonymität das gesellschaftliche Leben bestimmt. Es wurden zwar wesentlich mehr Geburten pro Familie in den Pfarrmatriken registriert, aber viele Kinder verstarben wegen der für heute schwer vorstellbaren hygienischen Bedingungen bereits im Kindesalter. Viele dürften wie Johann Georg Zechner auch den Marktflecken verlassen haben und anderswo Glück und Erfolg gesucht und gefunden haben.
Wo die Landwirtschaft eine solch wichtige Rolle spielt, sind natürlich auch die dazugehörigen Grundstucke ein wichtiger Faktor im Wirtschaftsleben. Sie waren im damaligen Markt Gleisdorf als Gewannflur ausgebildet, das heißt verschiedene Flachen oder Fluren waren in einzelne Streifen für viele einzelne Besitzer aufgeteilt. Mit dem Franziszäischen Kataster aus dem Jahr 1822 können wir rekonstruieren, in welche Fluren die Marktgemeinde aufgeteilt waren. Zum Besitz der Familie Zechner gehörte ein Hausgarten hinter dem Haus, der sich bis zum dahinter liegenden Gleisbach erstreckt hat. Er war für einen Färberbetrieb von großer arbeitstechnischer Bedeutung, hat man ihn doch als willkommenen Vorfluter für die angefallenen betrieblichen Schmutzwasser genutzt. Da damit auch ein übler Geruch verbunden war, durfte dieses aber nicht direkt an der Straße, also an der oberen Bürgergasse geschehen.
Wegen dieser Belastung für die Bevölkerung hatten deshalb auch die Färber keinen besonders guten Ruf in der Bevölkerung. Nördlich des Gleisbachs begannen die Grubäcker, die zu einem Teil zum Grundbesitz der Familie Zechner gehörten und mit als wirtschaftliche Basis der Familie dienten. Eine Reihe ehemaligen Flurnamen sind ja heute noch in Gleisdorfer Straßenbezeichnungen zu finden. Wie Langäcker, Hofäcker oder die Breitäcker.
Uber das Gewerbe des Färbers:
Das Färberhandwerk gehört von Alters her zur Kette des textilverarbeitenden Handwerks. Nach dem Spinnen und Weben war es für die Menschen wohl schon seit urdenklichen Zeiten wichtig, Farbe in ihr Leben zu bringen. Die Kenntnisse über das Färben in der Antike stützen sich hauptsachlich auf Gräberfunde und Aufzeichnungen griechischer und römischer Schriftsteller. Ihre technologischen Beschreibungen des Färberhandwerks enthalten auch Angaben über die Herkunft der Farbstoffe. Durch Jahrhunderte wurden Farbstoffe aus Mineralien (Ocker, Zinnober) oder aus Pflanzen wie Indigo oder Rotholz verwendet. Aus der Antike ist die rote Farbe der Purpurschnecke bekannt, die als ganz besonders wertvoll galt und deshalb wohl nur der Kleidung der Reichsten vorbehalten war. Um das Schönheitsbedürfnis der damaligen Gleisdorferinnen und Gleisdorfer zu befriedigen, werden die meisten teuren, oft aus der Neuen Welt importierten Farbstoffe zu teuer gewesen sein, und man griff wohl eher auf heimische Mittel, wie das Färberwaid oder einheimische Pflanzen zurück.
Im Mittelalter galt das Färben zu recht als schmutziges Geschäft. Färber galten häufig als unrein, weil sie mit übelriechenden Stoffen wie Urin arbeiteten. Durch die Kreuzzüge entstand aber ein stärkeres Bedürfnis an schon gefärbten Textilien. Damit stieg auch das Ansehen von ausgebildeten Färbern, die sich in eigenen Zünften und Gilden zusammenfanden. Zur Zeit der Geburt von Johann Georg Zechner war also sicher auch der Färberbetrieb seines Vaters im Ort angesehen. Was allerdings geblieben ist und sich sicher noch verstärkt hat, ist die Umweltbelastung, die damit verbunden ist. In weiten Teilen Europas und Nordamerikas ist dieses Problem heute zwar weitgehend gelöst, in vielen asiatischen, afrikanischen oder lateinamerikanischen Ländern ist dieses Problem doch bei weitem noch nicht gelöst.